Mit der Frage, ob die Mütter und Väter der Wüste, die in der Spätantike die ägyptischen und syrischen Wüsten besiedelt haben, mit ihrem Verständnis von geistlicher Begleitung auch Menschen von heute noch etwas zu sagen haben, beschäftigt sich mein neuer Beitrag im Sammelband "'Geh deinen Weg vor mir...' (Gen 17,1). Geistliche Begleitung und Wegbegleitung". Am Beispiel des Mönchsvaters Antonius und der Schrift Praktikos des Evagrius Ponticus wird schnell klar, dass sie mit der Vorstellung eines individuellen Glaubensweges, den es zu finden und zu gehen gilt, hochaktuell sind. Sind es heutzutage doch gerade persönliche Wege, die Menschen in ihrem Glauben und ihrer Spiritualität suchen und gehen wollen. Bei aller Individualisierung sind aber gegenseitige Unterstützung und geistliche Begleitung notwendig, um sich auf dem eigenen Weg nicht zu verlieren. Auch in diesem Bereich sind die Mütter und Väter der Wüste ungemein inspirierend, zeigen sie doch, dass es für die geistliche Begleitung individuell maßgeschneiderte Impulse braucht und allgemeine Modelle oder Konzepte nicht zielführend sind. Damit lassen die spätantiken Wegbegleiter eine gewisse Skepsis aufkommen, ob geistliche Begleitung im Raum der Kirche heute noch Menschen das geben kann, wonach sie suchen. Denn häufig finden sich im Raum christlicher Verkündigung einfache Antworten auf Fragen, die gar nicht gestellt werden. Oder die Suchenden haben sich schon längst von der institutionalisierten Religion entfernt und suchen zunehmend auf anderen Wegen nach spiritueller Heimat und Leben in Fülle. Ganz zu schweigen davon, dass gemeindlicher Aktionismus nicht selten die Suche nach Kontemplation, Stille, Gebet und Schau Gottes übertönt und erdrückt. Somit bleibt zu hoffen, dass es zukünftig noch Christinnen und Christen gibt, die wie die Mütter und Väter der Wüste Respekt vor der persönlichen Glaubensgeschichte von Menschen haben und diese auf ihrem geistlichen Weg wirkungsvoll begleiten und unterstützen.
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